Die letzten Ersten

Gedanken zum Schreiben „Möglichkeiten zur Unterstützung der Thüringer Schulen durch Ruheständlerinnen und Ruheständler“ des TMBJS vom 27.06.2019

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

falls Sie dachten, dass der tlv Dinge grundsätzlich früher erfährt als der Rest der Welt, so kann ich Ihnen versichern: Nein, dem ist nicht so. Das obengenannte Schreiben erreichte uns nämlich zeitgleich mit Ihnen – also am Vormittag des 28. Juni. Was wir davon halten, konnten wir der Presse trotzdem noch übermitteln – vielleicht haben Sie es ja gelesen.

Aber nun zu dem Schreiben an sich, das uns in mehrfacher Hinsicht überrascht hat. Zunächst einmal ist es ja nichts anderes als ein dickes, fettes Eingeständnis dessen, was wir seit Jahren predigen: Die Zahl der neueingestellten Lehrer reicht hinten und vorn nicht, um die personellen Lücken zu schließen, die durch die Altersabgänge entstehen. Und auch der Gedanke, Kollegen im Ruhestandsalter zu ermutigen, weiterhin im Dienst zu bleiben, ist grundsätzlich nicht verkehrt. Es gibt sicher Kolleginnen und Kollegen, die diese Möglichkeit zumindest in Betracht ziehen.

Aber: Das Timing war wieder einmal mehr als fragwürdig. Das Schreiben kam gerade einmal eine Woche vor dem letzten Schultag. Somit haben also diejenigen unter Ihnen, die bisher eigentlich fest damit gerechnet haben, am kommenden Freitag zum letzten Mal durch die heiligen Hallen zu wandeln, nicht übermäßig viel Zeit – um es gelinde auszudrücken – um die nächsten Jahre ihres Lebens eventuell neu zu überdenken. Entspannt in den Ruhestand zu gehen, oder eben auch nicht, sieht eigentlich anders aus.

Zum anderen kommt diese Aktion gerade jetzt, wenige Wochen, nachdem wir in einer vielbeachteten Pressekonferenz das Einstellungsverfahren in Thüringen kritisiert haben. Noch immer dauert es viel, viel, viel zu lange, bis unsere jungen Leute die Zusagen für ihre Stellen erhalten. Und statt das zu beschleunigen, wird nun erst einmal eine andere organisatorische Baustelle in den Schulämtern eröffnet.

Verstehen Sie das bitte nicht falsch: Es spricht überhaupt nichts dagegen, dass Ruheständler auf freiwilliger Basis im Schuldienst bleiben. Aber von dem Motto „erste Reihe“, unter dem die derzeitige Kampagne zur Lehrergewinnung läuft, ist da nichts zu sehen. Viele der designierten Ersten werden weiterhin die Letzten sein, während die Kolleginnen und Kollegen, die jetzt in der letzten Reihe stehen, durch „eine formlose Anzeige beim Schulamt“ möglicherweise schon im August wieder – oder vielmehr: noch – in der ersten Reihe stehen. Verrücktes kleines Thüringen!

Aber – ganz gleich, ob Sie zu den letzten Ersten oder den ersten Letzten gehören, ob Sie am Freitag der Schule nur vorübergehend oder gleich für immer den Rücken kehren: Genießen Sie Ihren Sommer und bleiben Sie gesund!

Eine schöne und erholsame unterrichtsfreie Zeit wünscht Ihnen

Ihr Rolf Busch

Landesvorsitzender

tlv thüringer lehrerverband

Mitteilung als Download