Mitarbeit: Mangelhaft!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Ausgabe der Halbjahreszeugnisse liegt noch gar nicht lange zurück. Wie haben Ihre Schüler denn so abgeschnitten? Wahrscheinlich war es bei Ihnen wie in jeder anderen Klasse auch: Da gab es die Überflieger, denen alles mühelos zufällt. Die Fleißigen, die hart für ihre Noten arbeiten. Diejenigen, denen es trotz ihrer Bemühungen schwerfällt. Und die, die es eigentlich draufhaben, aber stinkend faul sind.

Wie oft mussten Sie ein „Mangelhaft“, also die Note 5, vergeben – was möglicherweise gar zu dem Vermerk „Versetzung gefährdet“ führte? Erfahrungsgemäß erteilt kein Lehrer die zweitschlechteste Zensur, ohne dabei selbst ein wenig Bauchschmerzen zu haben, ohne sich zu fragen: Was ist da schiefgelaufen? Der Junge tlv hat dies unlängst als eine Art Kollektiverfahrung erlebt. Im Rahmen einer Postkarten-Kampagne haben die jungen Thüringer Pädagogen dem Kultusministerium die Note „Mangelhaft“ erteilt, und zwar für die Mitarbeit an der beruflichen Zukunft des Lehrernachwuchses.

Wie Sie wissen, wird der tlv seit 2011 nicht müde, auf die Missstände in der Personalpolitik hinzuweisen. Mit unserer Kampagne „Stoppt den Lehrerkollaps“ fing es an, und seitdem verweisen wir bei jeder Gelegenheit auf die realitätsferne Personalplanung des Kultusministeriums – mitverursacht durch die Politik und Finanzplanung der gesamten Landesregierung. Aber es werden nicht nur zu wenige Lehrer eingestellt: Inzwischen hat das Land auch echte Schwierigkeiten, überhaupt geeignete Kandidaten zu finden.

Was ist los bei den jungen Leuten? Wollen die nicht arbeiten? Ist das die verwöhnte Jugend von heute? Mitnichten! Aber der Umgang des Ministeriums mit dem Nachwuchs spottet jeder Beschreibung. Die Hürden für das Referendariat sind lächerlich hoch, die Verbeamtung noch immer nicht spruchreif, schulscharfe Einstellungen bleiben in den allermeisten Fällen Wunschdenken. Dadurch wird der Enthusiasmus der Berufsanfänger schon zerstört, bevor sie überhaupt richtig im Schulalltag ankommen können. Tja, und dort geht es dann munter weiter: Inklusion, Integration, Monitoring zum Unterrichtsausfall, Streit um Klassenfahrten, Fragen nach der Beförderung und, und, und.

Dagegen wehren sich unsere jungen Leute jetzt. Und wir „alten Hasen“ sollten ihnen dabei mit Rat und Tat zur Seite stehen. Immerhin sind sie es, die in unsere Fußstapfen treten und die Zukunft dieses Landes wesentlich mitgestalten sollen. Wenn Sie also eine der 5.000 Postkarten in die Finger bekommen, zögern Sie nicht: Kleben Sie eine Marke drauf und erteilen auch Sie dem TMBJS ein „Mangelhaft“.

Ihr

Rolf Busch