Kollaps mit System

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

nun ist er also da: der Lehrerkollaps. Seit 2012 verwenden wir diesen Begriff – viele von Ihnen erinnern sich sicher noch an unsere Tablettenschachtelaktion. Seit damals wiederholen wir gebetsmühlenartig, dass Thüringen auf eine personelle Katastrophe zusteuert. Genützt hat es leider wenig. Verwiesen wurde, wenn der tlv gar zu sehr quengelte, auf die geplante Einstellung Hunderter Lehrer – zuletzt 500 für ein ganzes Jahr. Dass damit maximal die altersbedingten Abgänge kompensiert werden und sich zudem in diesen Zahlen auch befristete Stellen bzw. Entfristungen bereits vorhandener Stellen verbergen, ist bestenfalls im Kleingedruckten zu finden.

Dass es auch anders gehen kann, sehen wir in Mecklenburg-Vorpommern. Auch darauf haben wir immer wieder verwiesen: Dort schauen die Verantwortlichen über ihren Tellerrand hinaus und ergreifen die notwendigen Maßnahmen. So wurde im nördlichsten der neuen Länder nicht nur die Verbeamtung viel früher eingeführt.

Kollegen, die dort an den Regionalen Schulen (dem Pendant zu unseren Regelschulen) unterrichten, werden schon zum Einstieg mit A 13 besoldet. Dort scheint die Willkommenskultur für den Lehrernachwuchs tatsächlich gelebt zu werden, während hier bislang nur die Rede davon ist. Wie viel das ausmacht, zeigte sich in einer kleinen Befragung, die wir unter allen Kultusministerien durchgeführt haben. Immerhin 8 der 16 haben uns geantwortet, wenn auch in sehr unterschiedlichem Umfang. Eine der fundiertesten Rückmeldungen kam aus Mecklenburg-Vorpommern. Das dortige Ministerium war auch das einzige, das unsere Frage nach einer Gewichtung des Personalproblems klar beantwortete: Auf einer Skala von 1 bis 5, wobei 1 für „kein Problem“ und 5 für „extrem großes Problem“ stand, wählten sie die 2 – ein Ergebnis, das sich mit unseren Beobachtungen der dortigen Schulpolitik deckt.

Hier in Thüringen schreibt man uns auf diese Frage, „das lässt sich nicht pauschal beantworten“. Das ist schade, denn – wie heißt es so schön? – Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Aber man beruft sich lieber auf die fehlenden Einstellungen aus der letzten Legislaturperiode, statt endlich adäquat zu handeln. Die Sache ist nur die: Wie es Probleme nun mal so an sich haben, ist auch das Personalproblem in den letzten Jahren nur noch schlimmer geworden. Unsere Forderung nach 500 jährlichen Neueinstellungen von 2012 ist deshalb inzwischen leider auch überholt. Mit dem jetzigen Kultusminister ist ein Mecklenburger ins Amt gekommen. Ob sich unsere Hoffnung, dass damit auch etwas vom bildungspolitischen Know-how aus dem Norden zu uns nach Thüringen kommt, doch noch erfüllt?

Ich wünsche es mir und Ihnen!

Ihr Rolf Busch