Bußgeld wegen Datenschutzverstößen … Echt jetzt?!?

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in der Ostthüringer Zeitung (OTZ) ist heute ein Artikel erschienen, bei dem sich uns schon beim Lesen die Nackenhaare aufgestellt haben: Demnach denkt der Thüringer Landesdatenschutzbeauftragte Lutz Hasse derzeit darüber nach, Lehrerinnen und Lehrer mit einem Bußgeld zu belegen, die im Rahmen des Homeschoolings gegen Datenschutzregeln verstoßen haben. Die Höhe der Strafe, so die OTZ, soll zwischen 100 und 1000 Euro liegen.

Dies ist deswegen besonders perfide, weil der Landesdatenschutzbeauftragte selbst noch vor Kurzem die Last der Verantwortung für einen funktionierenden Digitalunterricht unter Einhaltung aller Datenschutzbestimmungen allein auf die Schulen abgewälzt hat. Uns ist ein konkreter Fall bekannt, in dem eine Schule folgende Anfrage an die Behörde gestellt hat:

„Als Lehrer stehen wir in Zeiten von Corona vor neuen Herausforderungen. Wir planen eine Dienstberatung von Kollegen, von denen etliche zur Risikogruppe gehören, sind uns aber nicht sicher, welche Systeme datenschutzkonform nutzbar sind. Können Sie uns eventuell unterstützen und verwendbare Systeme angeben. Was ist z.B. mit Webex, GotoMeeting oder Jitsi Meet? Sind solche Systeme auch mit Schülern oder Eltern zulässig?“

Eine ganze Woche später kam aus Herrn Hasses Büro die folgende Antwort (Auszüge):

„Zunächst bitte ich um Verständnis dafür, dass es dem TLfDI aus Wettbewerbsgründen nicht möglich ist, kommerzielle Produkte zu empfehlen. Aus den gleichen Gründen ist es dem TLfDI nicht möglich, ein Produkt umfassend aus datenschutzrechtlicher Sicht zu zertifizieren. […] Grundsätzlich zu beachten ist, dass Verantwortlicher im Sinne von Art. 4 Nr. 7 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) die jeweilige Schule ist, die das Videokonferenzsystem aus schulischen bzw. dienstlichen Gründen einsetzen will. […] Unabhängig von der Frage nach einem konkreten Produkt, das eine Schule einsetzen will, muss die Schule die geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen treffen, um ein dem Risiko angemessenes Schutzniveau zu gewährleisten.“

Mit anderen Worten: Macht euren Fernunterricht und verhaltet euch dabei gefälligst datenschutzkonform – aber wie das geht, tja, dazu können wir euch nichts sagen.

Und nun also sollen die „Datenschutzsünder“ aufgespürt und bestraft werden. Echt jetzt?!?

Eine Reaktion aus dem Kultusministerium folgte wenige Stunden später per Medienmitteilung. Minister Holter stellt sich dankenswerterweise unmissverständlich hinter die Lehrer und äußert Verständnis dafür, dass – so der Minister wörtlich – in der Krisensituation „Priorität zu Recht hatte, alle Schülerinnen und Schüler schnell und gut zu erreichen.“

Dies kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch das Ministerium sich in Sachen digitaler Fernunterricht absolut nicht mit Ruhm bekleckert hat. Als unser Landesvorsitzender wenige Tage nach der Schließung der Schulen wichtige Impulse in Sachen Schulcloud gegeben hat, wurden seine Hinweise auf den unnötig komplizierten Anmeldeprozess in Thüringen in den Medien lächerlich gemacht. Auf die zunehmend verzweifelte Anfrage der Schulen, welche Videoplattform sie denn nun nutzen dürften, gab es wochenlang keine klare Antwort. Inzwischen sind Produkte benannt worden, unter anderem Big Blue Button – aber dies darf wiederum nur genutzt werden, wenn es über einen EU-Server betrieben wird. Einfach so den Computer einschalten und im Internetbrowser loslegen scheidet also aus – der Weg führt auch hier über die Schulcloud. Merken Sie was? Genau!

So bitter es klingt – in Sachen Homeschooling muss man dem Land Thüringen ein totales Behördenversagen konstatieren. Ja, es sind schwierige Zeiten für alle Beteiligten. Und ja, es mussten erst neue gangbare Wege gefunden werden. Aber während die Schulen von jetzt auf gleich in komplett neuer Weise irgendwie weiter funktionieren sollten, wurde leider sehr wenig getan, um wirkliche Entlastung zu schaffen. Wenn etwas in die Wege geleitet wurde, dann war es unbrauchbar, da zu vage (siehe Videoplattformen) oder praxisuntauglich (siehe Stornoverfahren für die Klassenfahrten).
Wir erwarten deshalb wenigstens jetzt vom Ministerium, dass

  • aus dem Konjunktiv in der Pressemeldung („Bußgelder für Lehrkräfte wären falsches Signal“) schleunigst ein Indikativ wird
  • die tatsächliche Einführung von Bußgeldern und/oder anderen Sanktionen verhindert wird
  • die Bußgelder, wenn es nicht verhindert wird, ausnahmslos übernommen werden, und zwar
  • auf deutlich praxistauglicherem Wege als bei den Stornogebühren.Dies werden wir genauso ans Ministerium und die Medienvertreter kommunizieren.
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    Bleiben Sie tapfer!

Ihr tlv