Der tlv zum 20. Jahrestag des Amoklaufs von Erfurt: Gedanken über das Undenkbare

Erfurt, 25.04.2022 – Am 20. Jahrestag des Amoklaufs von Erfurt gedenkt der tlv thüringer lehrerverband der Opfer – und mahnt erneut zum Aufbau von Netzwerken in und um die Schulen.

„Unsere Gedanken sind bei den Opfern, deren Namen wir hier bewusst nennen wollen“, erklärt Frank Fritze, stellvertretender Landesvorsitzender des tlv, „denn anders als der des Täters wurden diese nicht weltweit von den Medien kolportiert und haben sich deshalb nicht ins kollektive Gedächtnis eingebrannt: Heidrun Baumbach, Monika Burghardt, Birgit Dettke, Yvonne-Sofia Fulsche Baer, Andreas Gorski, Rosemarie Hajna, Susann Hartung, Gabriele Klement, Hans Lippe, Ronny Möckel, Carla Pott, Helmut Schwarzer, Hans-Joachim Schwertfeger, Anneliese Schwertner, Heidemarie Sicker und Peter Wolff sind einen furchtbaren, sinnlosen und viel zu frühen Tod gestorben. Gleichzeitig fühlen wir mit allen Hinterbliebenen – und mit denjenigen, die damals vor Ort waren und bis heute unter den Folgen der Ereignisse leiden.“

Der 26. April 2002 sei ein einschneidender Tag gewesen, so Fritze weiter. Und man sei schnell dabei gewesen, die vermeintlich Schuldigen auszumachen. „Ego-Shooter-Spiele, das Thüringer Schulgesetz, das Waffengesetz, die Einsatzkräfte, die Schulleitung, die Eltern des Täters … In dem nachvollziehbaren Wunsch, das Unerklärliche doch irgendwie zu erklären, wurde damals an vielen Stellen recht eindimensional gedacht. Wem keine dieser Antworten zusagte, der berief sich auf eine mutmaßliche geistige Erkrankung des Attentäters.“ Es sei menschlich, bei traumatischen Ereignissen Ursachen benennen zu wollen – aber die Lage sei extrem komplex, so Fritze.

„Vieles, was seit damals verändert worden ist, erachten wir als sehr sinnvoll – etwa die verpflichtende Besondere Leistungsfeststellung nach dem zehnten Schuljahr, die eine Art Sicherheitsnetz für Abiturabbrecher bildet, oder die Entscheidung, Eltern statt bis zum 18. nun bis zum vollendeten 21. Lebensjahr ihrer Kinder über wichtige schulische Belange zu informieren. Was wir aber nach wie vor schmerzlich vermissen, ist die Etablierung der im Koalitionsvertrag zugesagten multiprofessionellen Teams. Seit 20 Jahren mahnen wir an, das schulische Personal einzubetten in ein Kompetenznetzwerk aus Schulpsychologen, Sozialpädagogen, Schulgesundheitsfachkräften, aber auch Behörden wie den Jugendämtern und der Polizei. Es wäre vermessen zu behaupten, dass sich dadurch etwas so Furchtbares zuverlässig verhindern ließe. Aber neben der damit einhergehenden Entlastung für das schulische Personal würde die Einbindung in multiprofessionelle Teams möglicherweise dazu beitragen, dass problematische Entwicklungen deutlich früher auffallen.“

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