tlv zum Schuljahresauftakt: „Die Sorgen wachsen“

Erfurt, 23.08.2022 – „Mit Sorge“ blickt der tlv thüringer lehrerverband auf das am kommenden Montag beginnende neue Schuljahr – eine Gefühlslage, die die Verbandsleitung mit den Schulleiter:innen in Thüringen teilt. Das zeigt die nicht repräsentative Umfrage, die der tlv seit mehreren Jahren am Ende der Sommerferien durchführt, um die aktuelle Lage in den Schulen zu erfragen. „Fast drei Viertel der Schulleitungen blicken besorgt auf das, was sie erwartet“, erklärt Frank Fritze, stellvertretender Landesvorsitzender des tlv. „Dabei fallen vor allem die sich immer weiter zuspitzende personelle Situation und die zunehmende Belastung durch administrative Aufgaben ins Gewicht.

„Im Schnitt fehlen an jeder Schule zwei Kolleg:innen“, fasst Tim Reukauf, Sprecher des Jungen tlv, die Ergebnisse der Fragen nach der konkreten personellen Situation zusammen. „Das deckt sich mit dem, was uns die offiziellen Statistiken und das Karriereportal zeigen: Wir haben im Vergleich zum vergangenen Schuljahresbeginn 1306 Schüler:innen mehr, aber 142 Lehrer:innen weniger.“ Gleichzeitig seien aktuell fast 800 Stellen ausgeschrieben und noch unbesetzt. „Und wir wissen, dass diese Zahl nicht die ganze Wahrheit zeigt. Denn viele Stellen finden gar nicht erst den Weg in die Ausschreibungen, weil ohnehin keine geeigneten Kandidat:innen in Sichtweite sind.“

Die Folge, so Reukauf weiter, sei, dass nur jede zehnte Schule ihr Soll an Unterrichtsstunden tatsächlich abdecken könne. Auch die Einstellung sogenannter Seiteneinsteiger:innen bringe aufgrund der mangelnden fachlichen Vorbereitungen durch den Dienstherren vor allem die Notwendigkeit mit sich, diese an den Schulen intensiv einzuarbeiten und zu betreuen – was wieder einen Mehraufwand für die Schulen darstelle. Hinzu komme, dass die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Entlastung durch multiprofessionelle Teams nach wie vor nicht die Realität sei. „Wenn nur eine von neun Schulen den ihr zustehenden Bedarf an sonderpädagogischer Unterstützung auch personell abdecken kann, ist das ein Armutszeugnis angesichts dessen, was in Sachen Inklusion alles versprochen worden ist.“

Auch eine mögliche neue Pandemiewelle bereite den Schulleiter:innen in Thüringen Sorgen, so Frank Fritze. „Die Hälfte der Kolleg:innen würde sich eine Testpflicht wünschen, aber es wird keine geben. Es wird überhaupt keine Vorsichtsmaßnahmen an den Schulen geben, abgesehen von allgemeinen Hygieneempfehlungen.“ Tests seien zwar an vielen Schulen noch vorrätig, doch würden diese in wenigen Monaten ablaufen. Für den Fall, dass es erneut zu Schulschließungen oder Wechselunterricht kommt, sehen sich mehr als die Hälfte der Schulleitungen digital unzureichend ausgerüstet. Insgesamt erteilten die Schulleitungen dem Bildungsministerium deshalb erneut die Note „Mangelhaft“.

Die Forderungen des tlv an die Politik seien nahezu identisch mit denen des Vorjahres, weil sich „viel zu wenig getan habe“, so Reukauf abschließend.

Stellvertretend für die Beschäftigten in den Schulen fordert der tlv thüringer lehrerverband:

  • Die Personalprobleme müssen endlich angegangen werden – hauptsächlich, indem die Einstellungsbedingungen und -verfahren gründlich und bedarfsorientiert überarbeitet werden.
  • Die Einrichtung der vor acht Jahren versprochenen multiprofessionellen Teams erweist sich als immer unverzichtbarer. Lösen Sie dieses Versprechen endlich ein – und zwar so, dass Schulpsycholog:innen, Schulsozialarbeiter:innen etc. im Bedarfsfall unmittelbar vor Ort Unterstützung leisten können!
  • Die Schulen brauchen eine echte Entlastung. Deshalb: Administrative Entschlackung jetzt!
  • Es fehlen mittel- bis langfristige, praktikable und die Schulen entlastende Konzepte.
  • Dringend notwendig ist zudem eine Nachbesserung bei der digitalen Ausstattung der Schulen.