Die angetastete Würde

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

als die Medien unlängst davon berichteten, dass eine Düsseldorfer Schülerin wegen einer auf Facebook geposteten Beleidigung ihres Lehrers verurteilt wurde, war ich erschrocken. Und erstaunt. Und positiv überrascht.

Erschrocken war ich darüber, wie skrupellos manche junge Leute die Würde ihres Gegenübers in den Schmutz ziehen. Erstaunt hat mich die Konsequenz des betroffenen Lehrers: Er hat tatsächlich Strafanzeige erstattet. Positiv überrascht hat mich die Entscheidung des Gerichts: Das Mädchen wurde bestraft und muss nun 20 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Wo beginnt Gewalt gegen Lehrer? Das ist eine der zentralen Fragen, mit denen sich dieses Heft beschäftigt. Die Meinungen dazu gehen weit auseinander. Beleidigungen sind auch Gewalt, sagen die einen. Gewalt beginnt erst mit tätlichen Angriffen, finden die anderen. Wir vom tlv sind der Meinung: Auch Sprache kann Gewalt sein. In dem Moment, wo das Gegenüber als Einzelperson verbal herabgesetzt wird, ist das Gewalt. Dies gilt selbstverständlich für die Lehrer ebenso wie für die Schüler.

Dabei sollten wir im Auge behalten, dass Schule nicht außerhalb der Gesellschaft steht. Sie ist nicht die schöne, heile Welt, die sich viele wünschen. Schule ist ein Mikrokosmos und spiegelt als solcher all das wider, was draußen passiert. Und dieses Draußen wird zunehmend rauer. Das zeigt sich in den sozialen Medien ebenso wie in den politischen Diskussionen und der mittlerweile unverhohlenen Existenz rechtsnationaler Gruppierungen.

Es zeigt sich aber auch im Umgang der Schüler miteinander und mit den Lehrern. Die Schule scheint, genau wie die übrige Welt, rauer zu werden. Umso wichtiger ist es, dass gegen jegliche Gewalt entschieden vorgegangen wird. „Wehret den Anfängen“ lautet das Motto. Das gilt für die Brotbüchse, die in Richtung Lehrer fliegt und im selben Maße für den Schlüsselbund, der zurückfliegt.

Schauen und hören Sie deshalb nicht weg, wenn Sie Zeugen von verbaler, physischer oder psychischer Gewalt werden – denn Verharmlosungen bilden den Nährboden für eine sehr ungute Entwicklung. Nein, Schule ist keine heile Welt. Hier gibt es wie überall Menschen, die man nicht ausstehen kann. Aber man muss sich arrangieren. Es gilt, auch verbale Gewalt von vornherein zu unterbinden. Als Lehrer muss es uns gelingen, mit der angemessenen Ruhe und Gelassenheit Grenzen zu setzen. Dafür benötigen wir die Unterstützung durch die Schulleitungen und Schulämter, damit wir gemeinsam frühzeitig den Schlusspunkt setzen. Der tlv unterstützt seine Mitglieder auch in dieser Frage.

Ihr Rolf Busch