Lehren statt wehren

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

der 14. November 2016 ist ein Datum, das mir persönlich noch lange im Gedächtnis bleiben wird. An jenem Montag haben wir in Erfurt die Ergebnisse der vom VBE in Auftrag gegebenen Forsa-Studie zum Thema Gewalt gegen Lehrer vorgestellt. Zusammen mit Ihren Antworten auf unsere tlv interne Umfrage zeichnete sich ein wahres Horrorbild ab: Zehntausende Lehrer werden in Deutschland bedroht, beleidigt und tätlich angegriffen. Allein in Thüringen sind das über 1.000 Kolleginnen und Kollegen, die in ihrem Beruf schon selbst körperliche Gewalt erfahren haben.

Das heißt, auch unter Ihnen, die diese Zeilen jetzt lesen, sind viele, die bereits getreten, geschlagen oder mit Gegenständen beworfen worden sind. Und noch viel mehr, die regelmäßig auf üble Weise beschimpft und diffamiert werden. Allein bei der Vorstellung wird mir ganz übel!

Mit den Umfragen und dem Beginn unserer Kampagne #lehrenstattwehren haben wir etwas Wichtiges erreicht: Endlich wird über dieses Thema geredet. Viel zu lange haben Betroffene geschwiegen, aus Scham oder weil sie bereits erfahren hatten, dass wirksame Hilfe kaum zu erwarten ist. Leider ist es immer noch so, dass man Lehrern nur zu gern berufliches Versagen vorwirft, wenn sie an der Gewaltbereitschaft eines Schülers scheitern. Wer hingegen hätte jemals einem Arzt vorgehalten, dass er versagt hat, weil ein Patient die vorgeschlagene Behandlung abgelehnt hat und deshalb nicht geheilt wurde?

Nun, nach den erschreckenden Studienergebnissen war der – auch bundesweite – mediale Aufschrei groß. Und nicht nur das: Das TMBJS hat direkt reagiert und den Thüringer Lehrern seine Solidarität ausgesprochen. Man wolle intensiv mit dem tlv zusammenarbeiten, hieß es in einer Pressemeldung. Erste Taten folgten bereits in Form eines neuen Faltblattes zur Unterstützung bei Gewalterfahrungen. Das ist ein guter Anfang. Dafür zu sorgen, dass es nicht dabei bleibt und dass dieses Thema keine mediale Eintagsfliege wird, ist eine der wichtigsten Aufgaben, vor denen wir als Verband derzeit stehen. Wir nehmen das, was Ihnen tagtäglich geschieht, sehr ernst.

Deshalb bitten wir Sie: Schreiben Sie uns, wenn Sie etwas bewegt. Erzählen Sie uns, was an Ihrer Schule nicht rund läuft. Wir können keine Wunder bewirken, aber wir möchten ganz unmittelbar für Sie eintreten. Wir wollen unsere Möglichkeiten und Kontakte nutzen, um etwas zu ändern. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollen endlich wieder lehren, anstatt sich permanent zu wehren.

Ihr

Rolf Busch