Archiviert: Kein Raum für Missbrauch

Der tlv unterstützt die Kampagne zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt, initiiert von Johannes-Wilhelm Rörig, dem unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs

Weitere Informationen zur Kampagne auf
www.kein-raum-fuer-missbrauch.de

 

Ein Kommentar von Rolf Busch,
Landesvorsitzender tlv thüringer lehrerverband

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,

erinnern Sie sich noch? Die Fälle von sexuellem Missbrauch in einigen Bildungseinrichtungen bestimmten eine ganze Weile die Schlagzeilen. Inzwischen ist dieses Thema, wie bei so vielen anderen Skandalthemen auch, wieder völlig aus der öffentlichen Diskussion verschwunden. Leider! Deshalb ist die jetzt gestartete Kampagne auch sehr zu begrüßen. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass dadurch die Wahrnehmung nicht nur auf die Skandalfälle aus einigen Bildungseinrichtungen, sondern auf den sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen insgesamt gelenkt wird.

Die Reduzierung auf die Missbrauchsfälle an Bildungseinrichtungen führte viel zu häufig dazu, dass wir als gesamte Berufsgruppe unter Generalverdacht standen. Oberflächlich betrachtet könnte man die Kampagne „Kein Raum für Missbrauch“ auch so verstehen. Das Anliegen geht dennoch in eine andere Richtung. Völlig untergegangen in der öffentlichen Diskussion ist bisher, dass 90 Prozent des sexuellen Missbrauchs in Familien, dem sozialen Nahfeld und zunehmend auch durch Jugendliche und Kinder gegenüber anderen Mädchen und Jungen stattfindet. Wichtig ist, dass häufig die Bildungseinrichtungen wie Kindergärten, Horte und Schulen die einzigen Stellen sind, an denen die Probleme der betroffenen Kinder und Jugendlichen erkannt und erste Unterstützungsangebote greifen können.

Allerdings befürchte ich auch hierbei wieder den üblichen Umgang mit uns. Ein gesellschaftliches Problem wird erkannt und auch, wo es gelöst werden soll: in den Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Dabei wird dann meist das hierfür nötige Unterstützungssystem vergessen. Auch hier liegt ein weiteres wichtiges Argument für die immer noch aktuelle Forderung des tlv nach einem KompetenzNetzwerk Schule, zu dem mindestens ein Schulsozialarbeiter und mindestens ein Sonderpädagoge pro Schule in Verbindung mit einer möglichst verbindlichen Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit verschiedenen Professionen rund um Schule gehört. Im Moment wird es wohl auch bei diesem Thema nur zu der Verlagerung einer weiteren Aufgabe auf uns kommen.

Die Schulen und Bildungseinrichtungen sind der richtige Ort, an dem man vielen Problemen von Kindern und Jugendlichen erfolgreicher begegnen kann. Unter den derzeitigen Bedingungen ist es allerdings nur ein weiterer Beleg für den massiven Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit und eine weitere Überforderung der Systeme, die an und über der Belastungsgrenze arbeiten. Jeder, der die Bewältigung dieser Herausforderungen von Schulen fordert und gleichzeitig so tut, als seien die Bedingungen ausreichend, hat von der Wirklichkeit einfach keine Ahnung. Der tlv wird auch dieses Thema in diesem Sinne in die öffentliche Diskussion einbringen und für Verbesserungen streiten.

Ihr
Rolf Busch