„Die KMK hat sich kolossal verrechnet!“

Erfurt, 25.01.2022 – Der Verband Bildung und Erziehung (VBE), dessen Landesverband der tlv thüringer lehrerverband ist, hat heute Vormittag eine bei Prof. i. R. Dr. Klaus Klemm in Auftrag gegebene wissenschaftliche Untersuchung vorgestellt. Diese zeigt auf, wie sich Lehrkräftebedarf und tatsächliches -angebot in Deutschland bis 2030 entwickeln werden. Das Resultat der von einem der renommiertesten deutschen Bildungsforscher erstellten Expertise bezeichnet der tlv-Landesvorsitzende Rolf Busch als „vernichtend“.

„Die wissenschaftliche Untersuchung zeigt: Die KMK hat sich kolossal verrechnet“, resümiert Busch. „Sie geht für das Jahr 2025 von einem Lehrkräftemangel von 20.000 in Deutschland aus – was schlimm genug wäre. Aber tatsächlich wird sich der Mangel bis dahin bereits auf 45.000 belaufen – ein Wert, der um 125 Prozent höher liegt. Für 2030 hat die KMK ein Defizit von 14.000 berechnet, während Prof. Klemm von 81.000 ausgeht. Das sind 480 Prozent mehr. Und das Erschreckende dabei ist: Der durch die drei schulpolitischen Maßnahmen Ganztagsausbau, Inklusion und die Unterstützung von Kindern in herausfordernden sozialen Lagen zusätzlich entstehende Lehrkräftebedarf ist hier noch gar nicht mit einbegriffen.“

Was das für ein Land wie Thüringen bedeute, in dem aktuell fast zwei Drittel der Lehrer:innen über 50 Jahre alt sind, liege auf der Hand, so der tlv-Landesvorsitzende weiter. „Die 580 Prozent zusätzlicher Mangel sind Bundesdurchschnitt, hier bei uns dürfte das noch gravierender ausfallen.“ Schon jetzt gehe der tlv von einem tatsächlichen Bedarf von mindestens 2000 zusätzlichen Lehrpersonen für Thüringen aus – ein Bedarf, der selbst bei einem entsprechenden Einstellungsbeschluss der Landesregierung gar nicht zu decken wäre. „Eine jahrelange Forderung des tlv, nämlich die nach schulscharfen Ausschreibungen, ist nun endlich erfüllt worden. Allerdings zeigt das neue Stellenportal eben auch auf einen Blick, wie schwierig die Situation tatsächlich ist. Wir haben Stand heute 487 unbesetzte Stellen in den Thüringer Schulen. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn viele Stellen werden gar nicht erst ausgeschrieben, da es sowieso keine Bewerber:innen dafür gibt.

Vor dem Hintergrund der heute vom VBE Bundesverband veröffentlichten Expertise fordert der tlv die Landesregierung dazu auf, „unverzüglich offenzulegen, wie groß die Lücke zwischen Lehrkräftebedarf und Neuangebot an Lehrkräften bis 2030 Thüringen wirklich ist und welche zusätzlichen personellen Ressourcen für Ganztag, Inklusion und die Unterstützung von Kindern in herausfordernden Lagen benötigt werden.“

Darüber hinaus fordert der Verband:

  1. die Ausschreibung aller zu besetzenden Stellen
  2. die Schaffung zusätzlicher Stellen im erforderlichen Umfang, weil sonst nur der Mangelzustand von 2019 aufrechterhalten wird
  3. attraktive, konkrete und transparente Perspektiven für Seiteneinsteiger:innen, wie diese gleichwertige Lehrer:innen werden können
  4. frühzeitige Angebote an alle Lehramtsstudierenden (Plätze im Vorbereitungsdienst) und Lehramtsanwärter:innen (Einstellung in den Schuldienst)
  5. die flächendeckende Einrichtung von multiprofessionellen Teams, die das Lehrpersonal bei zusätzlichen Aufgaben wie Inklusion, Arbeit mit Kindern aus sozial benachteiligten Familien etc. unterstützen

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