tlv mahnt anlässlich der Vorstellung des Thüringen-Monitors 2023 im Thüringer Landtag – und stellt eigene Umfrageergebnisse vor

„Schulen sind ein Abbild der Gesellschaft – und dürfen gerade deswegen nicht alleingelassen werden“

Erfurt, 24.04.2024 – Der tlv thüringer lehrerverband mahnt anlässlich der heute im Plenum des Thüringer Landtags geplanten Regierungserklärung zum Thüringen-Monitor 2023 eindringlich mehr Unterstützung für die Schulen an. „In diesen Zeiten, die die Landesregierung zu Recht als Polykrise bezeichnet, kommt es mehr denn je darauf an, die Schulen nicht alleinzulassen“, konstatiert der tlv-Landesvorsitzende Tim Reukauf. „Schulen sind ein Abbild der Gesellschaft. Das, was der Thüringen-Monitor bei der Befragung der Erwachsenen erhebt, zeichnet sich bereits Jahre vorher in den Schulen ab. Um negative Entwicklungen aufzufangen, bedarf es deshalb der tatkräftigen Unterstützung unserer Lehrkräfte durch Schulsozialarbeiter, Schulpsychologen und weitere Professionen. Bisher ist das Koalitionsversprechen der Thüringer Landesregierung, multiprofessionelle Teams flächendeckend in den Schulen einzuführen, jedoch nur sehr rudimentär umgesetzt worden.“

Der sogenannte Thüringen-Monitor untersucht seit dem Jahr 2000 jährlich die politischen Einstellungen, die Zufriedenheit mit und die Unterstützung für die Demokratie, das Vertrauen in Institutionen sowie die politische Beteiligung der wahlberechtigten Menschen in Thüringen. Bei der heute im Landtag vorgestellten Erhebung aus dem Herbst 2023 fällt auf, dass die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in Thüringen im Vergleich zu den Vorjahren deutlich angestiegen ist. Vorbehalte gegen Migranten und Muslime haben auch in der gesellschaftlichen Mitte zugenommen, zudem sind antisemitische Einstellungen weiterhin in der Gesellschaft verbreitet.

„Es ist jedoch keineswegs so, dass diese Probleme bei Erwachsenen urplötzlich zutage treten“, erklärt Tim Reukauf. „Oftmals zeigen sich entsprechende Tendenzen bereits in der Schule“.

Aktuelle tlv-Umfrage zeigt Ausmaß rechtsextremistisch motivierter Gewalt in den Schulen auf

Erst im Februar dieses Jahres hat der tlv selbst eine Befragung unter den in den Schulen Beschäftigten durchgeführt, in der es um schulische Gewalt im Allgemeinen und rechtsextremistisch motivierte Gewalt im Besonderen ging. An der nichtrepräsentativen anonymen Umfrage haben etwas mehr als 200 Personen teilgenommen, von denen der überwiegende Teil (86 Prozent) Lehrkräfte waren. Es haben sich jedoch auch Schulleiter, Lehramtsanwärter, Sonderpädagogische Fachkräfte und Horterzieher beteiligt.

Der Umfrage zufolge haben seit Beginn des aktuellen Schuljahres 47 Prozent der Befragten selbst körperliche und/oder seelische Gewalt erlitten: körperliche Gewalt wie Schläge oder Tritte 26 Prozent und seelische Gewalt wie Beleidigungen oder Mobbing 43 Prozent. Diese Gewalt ging in zwei Dritteln der Fälle von Schülern aus, bei einem Viertel der Fälle von Eltern und die restlichen Vorfälle gingen auf das Konto von Kollegen.

Rechtsextremistisch motivierte Gewalt macht laut der Umfrage eine nicht zu unterschätzende Teilmenge der Gewaltvorkommen aus: 5 Prozent der Befragten haben seit August 2023 körperliche Gewalt aus derartigen Motiven heraus persönlich erlebt, 20 Prozent seelische. Rechtsextremistisch motivierte körperliche Gewalt im eigenen Kollegium oder in der Schülerschaft mitbekommen haben 7 Prozent, bei der seelischen Gewalt liegt dieser Wert bei 33 Prozent. Täter waren in 68 Prozent der Fälle Schüler, in 20 Prozent Eltern und darüber hinaus Kollegen. Oper waren in 52 Prozent der Gewaltvorfälle Schüler, in 16 Prozent Lehrkräfte/Beschäftigte und in 32 Prozent nicht anwesende Personen bzw. größere Gruppen von Menschen.

Dazu der tlv-Landesvorsitzende Tim Reukauf: „Das heißt im Klartext: Seit Beginn des Schuljahres 2023/24 ist einer von vier in den Thüringer Schulen Beschäftigten selbst Opfer rechtsextremistisch motivierter Gewalt geworden. Und bei zwei von fünf Beschäftigten gab es Vorfälle im Kollegium oder in der Schülerschaft. Diese Zahlen sind mehr als alarmierend.“

Betroffen machen laut Reukauf auch die Schilderungen der Vorkommnisse. „Wenn ich lesen muss, dass im Jahr 2024 Kinder und Jugendliche Hakenkreuze zeichnen, Mitschüler nichtdeutscher Herkunft mit Steinen bewerfen oder unverhohlen rechtsextreme Lieder grölen, dann macht mich das fassungslos. Klar ist: Das muss anders werden. Klar ist aber auch, dass wir das nicht ohne Unterstützung schaffen können. In dieser immer komplexer werdenden Welt und angesichts der immer prekäreren Personalsituation in den Schulen brauchen wir Hilfe. Und wir appellieren an die Landesregierung: Schicken Sie diese Hilfe bald. Sonst wird der Thüringen-Monitor schon in wenigen Jahren zur Horrorlektüre für alle Demokratinnen und Demokraten.“

Gutachten der Thüringer Staatskanzlei (Thüringen-Monitor 2023)

Ergebnisse der tlv-Umfrage vom Februar 2024